Hamburg, 25.04.2008 11:37 Uhr (redaktion)
Die operative Tochter Thielert Aircraft Engines des Flugzeugmotoren-Hersteller Thielert ist insolvent (Stand 24.04.2008).
Der Mutterkonzern Thielert sei zu einer Restrukturierung nicht mehr in der Lage. Zur Holding gehört neben der Flugzeugmotoren-Tochter noch die amerikanische Ersatzteilefirma Superior Air Parts. "Wie es da weiter geht, ist unklar", sagte ein Sprecher. Die Zukunft der Holding sei offen. "Wir sind nach wie vor zuversichtlich, einen Investor zu finden."
Zuvor hatte der Aufsichtsrat den Vorstand wegen des Verdachts der Falschbilanzierung fristlos entlassen. Ein Sprecher der Staatsanwalt Hamburg sagte: "Das Verfahren gegen Thielert läuft noch, der Vorwurf lautet auf Betrug." Thielert habe Umsätze vorgetäuscht und damit höhere Bonität erreicht als angemessen. Die zuletzt schon stark gebeutelte Thielert-Aktie brach am Donnerstag knapp 80 Prozent auf unter einen Euro ein. Vor gut einem Jahr war sie noch 25 Euro wert gewesen.
Investoren zogen ihre Zusagen für ein Rettungspaket zur Behebung der Liquiditätskrise bei Thielert zurück. "Es würde mich wundern, wenn man jetzt jemanden findet, der bereit ist, Fremdkapital zu geben", sagte der stellvertretende Aufsichtsratschef Achim von Quistorp. Das von Frank Thielert zugesagte Darlehen von 2,65 Millionen Euro sei zwar inzwischen geflossen. In den nächsten zwölf Monaten fehlen dem Unternehmen früheren Angaben zufolge aber weitere 20 bis 24 Millionen Euro.
Am Anfang des Thielert Konzerns stand die von Frank Thielert 1989 gegründete Thielert Motoren GmbH, die sich mit der Entwicklung von Hochleistungsmotoren und Präzisionsmotorenkomponenten für den Prototypen- und Vorserienbau sowie Motorsport beschäftigt. Thielert entwickelte sich rasch zu einem internationalen Anbieter für Rennmotoren und mechanischer wie elektronischer Motorenkomponenten.
Die Hamburger Firma ist seit längerem wegen der umstrittenen Bewertung ungewöhnlich hoher Forderungen in ihrer Bilanz in der Kritik. Das Landgericht Hamburg hatte im März die Abschlüsse der Jahre 2003 bis 2005 für nichtig erklärt. Den Abschluss für 2006 korrigierte Thielert selbst und wies darin deutlich weniger Umsatz und Gewinn aus. Das Unternehmen hatte Entwicklungsleistungen nach dem Grad der Fertigstellung und nicht erst mit Beginn der Serienfertigung bilanziert.
Firmengründer Frank Thielert hatte Anfang April seine Bereitschaft erklärt, den Vorstandsvorsitz abzugeben. Er verkaufte sein Aktienpaket zu einem Kurs von einem Euro je Aktie und stellte das Geld dem Unternehmen als Darlehen zur Verfügung. Es seien nun neue Aspekte zu den fraglichen Bewertungen aufgetaucht, begründete von Quistorp die Entlassung der Firmenführung. "Wir haben vom LKA Informationen erhalten, mit denen wir den Vorstand konfrontiert haben. Daraufhin hat uns der Vorstand weitere Informationen gegeben, die uns veranlasst haben, den Vorstand abzusetzen." In der Zwischenzeit kümmere sich die zweite Führungsebene um das operative Geschäft.
Aktionärsvertreter wollen angesichts des drastischen Kursverfalls mögliche Schadenersatzansprüche prüfen. "Was bei Thielert passiert ist, ist ein absolutes Drama für die Aktionäre", sagte ein Sprecher der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Die SdK werde Klagemöglichkeiten prüfen, unter anderem gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO Deutsche Warentreuhand, die die betroffenen Jahresabschlüsse von Thielert testiert habe, sagte der stellvertretende Vorstandschef der SdK, Markus Straub. "Das ist wie zu den Zeiten des Neuen Marktes - als seriöser Investor kann man da nur noch den Kopf schütteln", klagte ein Aktienhändler.
(Quelle: ThomsonReuters)
» Zur Startseite von Finanzen Markt & Meinungen