Düsseldorf, 11.05.2016 11:43 Uhr (Frank Schulz)
Alleine Walldorf (SAP Sitz) bezieht gut 94 Prozent ihrer Steuereinnahmen alleine aus der Gewerbesteuer. Im Bundesdurchschnitt sind es gerade mal knapp 30 Prozent. Segen und Fluch liegen für die Gemeinden nah beisammen.
Die Gewerbesteuer wird anhand der Gewinne von Unternehmen errechnet und erhoben. Den sogenannten Hebesatz können Kommunen (Gemeinden) völlig individuell festlegen. Jedoch darf dieser nicht unter 200 Prozent fallen (Vermeidung von Steueroasen).
Zu den Kommunen mit den höchsten Hebesätzen bei der Gewerbesteuer zählen Kommunen aus NRW: Oberhausen (520), Hagen, Marl und Kerpen (jeweils 500). Am günstigsten war es für Unternehmen in den beiden baden-württembergischen Städten Friedrichshafen und Ravensburg, deren Hebesatz 350 beträgt. (Stand 2013/Quelle: Ernst & Young).
Das Institut der deutschen Wirtschaft aus Köln hat sich mit den sogenannten Company Towns beschäftigt. Gemeint ist die große Abhängigkeit der Kommunen von einzelnen Unternehmen. Der Volkswagen-Konzern zum Beispiel hat mit seiner „Autostadt“ eines der beliebtesten Freizeitziele für die Wolfsburger geschaffen. Das ist Segen und Fluch zugleich. Denn wie ein geflügeltes Wort aus der Region sagt: „Wenn VW hustet, bekommt Wolfsburg eine Grippe.“
Und diesem Risiko sieht sich nicht nur die niedersächsische Retortenstadt ausgesetzt. Vor allem das Steueraufkommen vieler der sogenannten Company Towns ist extrem abhängig vom Wohl und Wehe einzelner Unternehmen, wie die Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consult in einer Untersuchung ermittelt hat (siehe nachfolgende Grafik):
Die SAP-Stadt Walldorf bezog 2014 glatte 94 Prozent ihrer Steuereinnahmen aus der Gewerbesteuer - und daran hat die Softwarefirma einen erheblichen Anteil.
Der Wolfsburger Stadthaushalt speiste sich im selben Jahr zu 78 Prozent aus Gewerbesteuerzahlungen und zu den Gemeindefinanzen von Oberkochen, dem baden-württembergischen Hauptsitz des Optikspezialisten Carl Zeiss, trägt die Gewerbesteuer knapp 71 Prozent bei. In welche Probleme die Dominanz einzelner Unternehmen münden kann, lässt sich im Ruhrgebiet beobachten, das noch immer mit dem Niedergang der Kohle- und Stahlindustrie kämpft.
Abmildern lässt sich eine solche Abhängigkeit nur, indem die betroffenen Städte ihre komfortable Finanzlage sinnvoll nutzen: Sie sollten wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen schaffen und so weitere wachstumsstarke, innovative Unternehmen anziehen. Recht gut gelungen ist das zum Beispiel Monheim am Rhein, dem Sitz des Pflanzenschutzmittelherstellers Bayer CropScience, aber auch einer anderen VW-Stadt, nämlich Braunschweig.
Eher gewagt ist dagegen, worauf sich das kleine Städtchen Liebenwalde nördlich von Berlin eingelassen hat: Die brandenburgische Steueroase hat mit 250 Prozent einen der niedrigsten Gewerbesteuerhebesätze Deutschlands - und damit mehrere zum Discounter Lidl gehörende Tochterfirmen der in Neckarsulm ansässigen Schwarz-Gruppe angelockt. So hat zum Beispiel die Lidl Lizenz Geschäftsführungs-GmbH im Liebenwalder Ortsteil Kreuzbruch ihren Hauptsitz angemeldet.
Lidl schafft in Liebenwalde – abgesehen von seiner Filiale – zwar kaum Arbeitsplätze, trug aber wesentlich dazu bei, dass die Gewerbesteuer 2014 mit 30 Millionen Euro 95 Prozent des Gemeindeetats abdeckte. Doch ein Briefkasten ist eben genauso schnell abmontiert wie angebracht.
(Quellen: Bundesministerium der Finanzen / Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. / WDR Köln)
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