FrankfurtMain/München, 31.01.2020 11:43 Uhr (Robert Halver)
Der aktuelle Fokus der Finanzmärkte gilt der Ausbreitung des chinesischen Corona-Virus. Diffuse Ängste vor Konjunkturschäden in China mit weltwirtschaftlichen Kollateralschäden steht allerdings eine zuletzt grundsätzlich stabile Stimmung in der chinesischen Industrie und bei Dienstleistungen gegenüber.
Unabhängig von Versuchen der chinesischen Notenbank, die bereits eine üppige Liquiditätsbereitstellung zur Marktberuhigung signalisierte, wird sich eine Aktienstabilisierung erst dann einstellen, wenn eine Eindämmung des Virus erkennbar wird, die auch das Kopfkino von Konsumenten und Unternehmen entspannt. Dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit dem Ausruf des internationalen Gesundheitsnotstands ihre Mitglieder zu gegenseitiger Abstimmung und Zusammenarbeit verpflichtet, erhöht die Schlagkraft bei der Viruseindämmung.
Dass auch die Erholung der deutschen Wirtschaft auf wackeligen Beinen steht, signalisiert der leichte Rückgang des ifo Geschäftsklimaindex auf 95,9 nach 96,3. Die Befragung wurde aber vor dem massiven Auftreten des Corona-Virus beendet. Immerhin, laut ifo Konjunkturmatrix, die Geschäftslage und -erwartungen zueinander in Beziehung setzt, droht die deutsche Wirtschaft zurzeit nicht vom leichten „Abschwung“ in die „Rezession“ abzurutschen.
Ermutigend ist, dass ausgerechnet die stark konjunkturzyklischen deutschen Branchen Chemie und Elektrotechnik einen klar erkennbaren Aufwärtstrend zeigen. Sie kompensieren die spürbaren Eintrübungen der Geschäftserwartungen im Bau und bei Dienstleistungen.
Belastende Aussagen von Trumps ehemaligem Sicherheitsberater John Bolton im Rahmen des Amtsenthebungsverfahrens gegen den US-Präsidenten verblassen an den Finanzmärkten. Angesichts der bevorstehenden Wahl steht die republikanische Front im Senat felsenfest.
Lebt mit dem vollzogenen Austritt Großbritanniens aus der EU auch das Risiko eines harten Brexits wieder auf? Immerhin ließ Premierminister Boris Johnson im Brexit-Gesetz verankern, dass keine Fristverlängerung bei der EU beantragt werden kann. Auch wenn die Zeit für die Ausarbeitung eines Freihandelsabkommens knapp ist, haben die vergangenen drei Jahre gezeigt, dass man dennoch zu einer konstruktiven (Kompromiss-)Lösung fähig ist. Insofern schenken die Aktienmärkte einem potenziellen harten Brexit bislang keine Beachtung.
Aus Sentimentsicht trübt die diffuse und ungewisse Viruskrise die Aktienlaune. Angesichts der zuletzt ausgeprägten Spekulationen auf eine Fortsetzung der Rallye bei abnehmenden Kursabsicherungen haben die ruckartigen Kursrücksetzer viele Anleger kalt erwischt. Wer auf satten Buchgewinnen sitzt, realisiert diese und wartet zunächst die weitere Entwicklung ab. Niederschlag findet dieses Verhalten in einer deutlich fallenden Risikofreude im Macro Risk Index der Citigroup.
Die stark überkaufte Marktsituation bereinigt sich. Anleger bauen jetzt Cash-Polster auf, um nach einem Ende der Konsolidierung wieder günstig nachzukaufen. Schließlich sorgen die Notenbanken weiter für zinsseitigen Anlagenotstand. Und sobald man das Virus im Griff hat, werden die vorhergehenden realwirtschaftlichen Einbußen zügig nachgeholt und der Aktienmarkt fundamental gestärkt.
Charttechnisch trifft der DAX im Fall einer Stabilisierung an der Marke bei 13.399 Punkten auf ersten Widerstand. Bei Überwindung folgen die nächsten Barrieren bei 13.511 und schließlich am Allzeithoch bei 13.640. Kommt es zu weiteren Gewinnmitnahmen, trifft der DAX zunächst bei 13.150 und 13.019 auf Unterstützungen. Weitere Haltelinien liegen darunter bei 12.992 und 12.795 Punkten.
In China steht die weitere Entwicklung der Viruskrise im Mittelpunkt. Die Caixin Einkaufsmanagerindizes für das Verarbeitende und Dienstleistungsgewerbe signalisieren eine leichte Konjunkturstabilisierung.
In den USA bietet sich laut ISM Indizes ein geteiltes Konjunkturbild: stabiler Dienstleistungs- und schwacher Industriesektor. Die Industrieaufträge können ihren vormonatlichen Rückgang nicht ausgleichen. Gleichzeitig verliert der US-Arbeitsmarkt an Dynamik.
In der Eurozone hat die Konjunktur laut finalen Einkaufsmanagerindizes für die Industrie und Dienstleistungen ihren Boden gefunden.
In Deutschland spiegelt sich die zaghafte Stimmungsaufhellung noch nicht in harten Daten, bei Industrieaufträgen, - produktion und Exporten wider.
Der Autor dieses Artikels ist Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. www.bondboard.de
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Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG
Marc Schlömer, Kapitalmarktanalyse, Baader Bank AG
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