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Wiederentdeckung der Lehrlinge: Dramatische Bewerberlücke in Bayern

Dokument: München, 28.04.2016 11:33 Uhr (Regionalredaktion)

Neben Passungsproblemen macht dem bayerischen Mittelstand laut BIHK der Akademisierungswahn in Deutschland zu schaffen. Die Aufwertung der dualen Berufsausbildung soll Abhilfe schaffen.

Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Diesen Spruch kennen viele, die eine Ausbildung genossen haben. Der Lehrling, der Geselle der Meister. Die Hierarchie war eingemeißelt.

Vor allem die Generation Y, mit hoher Bildungsreife drehen der Ausbildung den Rücken zu und studieren lieber. Und sie verweilen länger im Schoß des Elternhauses.

Dagegen: 60 Prozent der Jugendlichen in Deutschland, die einen Haupt- oder Realschulabschluss besitzen und keinen weiteren Schulabschluss anstreben, beginnen eine duale Ausbildung. Gerade für diese Form der Ausbildung wird Deutschland international geschätzt. Praxis im Betrieb und Theorie in der Berufsschule.

Ausbildungsnotstand in Bayern?

Aktuell beginnen in Bayern 39.000 Schülerinnen und Schüler mit den Abiturprüfungen. Die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern berichtet, das gerade die bayerischen Unternehmen besonders stark unter der ‎Bewerberlücke leiden: Zu Beginn des aktuellen Ausbildungsjahres im Herbst 2015 blieben im Freistaat mindestens 11.000 Ausbildungsplätze unbesetzt. Diesen standen nur noch 874 unversorgte Bewerber gegenüber, so die Statistik der Arbeitsagentur.

Bayerisches Landesamt für Statistik Ausbildung
Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik

"Die Ausbildungsplatzsituation hat sich in Deutschland in den vergangenen Jahren leider verschlechtert. Immer mehr Jugendliche finden nur eine schulische Ausbildung, da viele Unternehmen nicht mehr bereit oder in der Lage sind, ein Berufsbild in seiner ganzen Breite auszubilden. Andere Unternehmen sind zwar bereit auszubilden, finden jedoch keine passenden Bewerber." (Quelle: Bildungsexperten Netzwerk).

BIHK-Chef Peter Driessen wehr sich vehement gegen Vorwürfe, dass Betriebe eine Bestenauslese betreiben und Mittelschüler deswegen keine Chance auf eine Lehre hätten. „Alleine im Zuständigkeitsbereich der IHK wird jeder dritte Ausbildungsvertrag mit einem Haupt- bzw. Mittelschüler abgeschlossen. Die Mittelschule ist damit eine wichtige und unersetzliche Säule für unsere Betriebe“, so Driessen.

TIPP: Was denn nun? Was es mit dem "Passungsproblem" auf sich hat (pdf-Dokument vom Bundesinstitut für Berufsbildung).

Insofern begrüßt die bayerische Wirtschaft die von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) in Berlin angekündigte Aufwertung der dualen Berufsausbildung durch einen stärkeren Fokus von praxisnaher Berufsorientierung an Gymnasien. „Es ist höchste Zeit, dem Akademisierungswahn in Deutschland die Stirn zu bieten. Dazu gehört auch, dass die Gesellschaft im Kopf umschaltet und erkennt, dass Ausbildung keine Sackgasse ist, sondern vielfältige Karrierechancen eröffnet“, sagt Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK), in einer Reaktion auf den heute vorgelegten nationalen Berufsbildungsbericht.

‎„Vor allem kleine und mittlere Unternehmen müssen um jeden Azubi kämpfen“, so Driessen. Der jetzt vorgestellte Ansatz der Bundesregierung unterstütze den in Bayern bereits eingeschlagenen Weg, das Image und den Stellenwert der Ausbildung deutlich aufzuwerten. Dazu haben BIHK, Handwerk und Staatsregierung die Imagekampagne „Elternstolz“ gestartet. Auch mit dem neuen BIHK-Projekt „Ausbildungs Scouts“ werde zusätzlich in allen Schularten für die duale Ausbildung geworben. Dies sei mit Blick auf die rückläufigen Schulabgängerzahlen dringend notwendig, warnt Driessen: Seit Beginn der 1980er Jahre ist die Zahl der Abgänger von Haupt- und Mittelschulen in Bayern massiv geschrumpft, von rund 76.000 auf aktuell ‎‎30.680.‎ Damit stellen sie nur noch 21 Prozent der Schulabgänger.

(Quelle: Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern)

 
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