Düsseldorf, 05.07.2018 17:56 Uhr (Gastautor)
Bei den Gesprächen zur 5. Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen steht die wirtschaftliche Zusammenarbeit im Zentrum. Geplant ist u.a. eine Absichtserklärung zur Kooperation bei der Entwicklung des autonomen Fahrens. Fragen an Mikko Huotari, Stellvertretender Direktor des Mercator Instituts für Chinastudien.
Die Stiftung Mercator gründete 2013 die Denkfabrik Mercator Institute for China Studies (MERICS), ein Institut der gegenwartsbezogenen und praxisorientierten China-Forschung in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH.
Wenn die USA als Partner in vielen Bereichen ausfallen, wächst der Druck auf die deutsche Regierung – und auch die europäischen Nachbarn – neue Handlungsspielräume zu erschließen. Deutsche Großunternehmen reagieren bereits und engagieren sich stärker auf dem chinesischen Markt. Beijing wiederum umgarnt Europa, sich in Handelsfragen gemeinsam gegen die USA aufzustellen. Aber auch in China sind deutsche Unternehmen Protektionismus ausgesetzt.
In der Praxis allerdings bleiben Verhandlungen mit China auch aufgrund von Wertekonflikten schwierig und werden angesichts der zunehmend selbstbewusst verfolgten Interessenpolitik Chinas nicht leichter. Es ist begrüßenswert, dass Deutschland und China sich offensichtlich wieder in einem hochrangigen strategischen Dialog verständigen wollen. Allerdings zeigt das Beispiel der Praktikanten-Programme, wo um Visaregelungen gestritten wird, dass selbst bei scheinbar harmlosen Themen derzeit Annäherung schwierig ist.
Geplante Gespräche mit Beijing zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der WTO dürfen nicht davon ablenken, dass Europa eigene Interessen mit Blick auf Chinas marktverzerrendes Regierungshandeln, die Diskriminierung ausländischer Unternehmen und Nichteinhaltung von WTO-Verpflichtungen mit aller Konsequenz weiterverfolgen muss.
Wenn China die Maßnahmen wirklich umsetzt, dann wäre das ein echter Fortschritt nach vielen Jahren der Ankündigungspolitik. In zentralen Fragen hat sich allerdings trotz neuer Versprechen und einiger konkreter Schritte wenig geändert. China öffnet seinen Markt nur selektiv und gewährt willigen Partnern selektive – jederzeit zurückholbare – Privilegien. Öffnungsmaßnahmen werden dabei häufig durch neue Regelwerke zur nationalen Sicherheit oder die diskriminierende Anwendung von Gesetzen konterkariert.
Wesentliche Barrieren bleiben für ausländische Unternehmen in China bestehen. Anstatt in der Sache zu korrigieren, weist die chinesische Regierung Experten und Medien an, nicht mehr über die weiterhin mit großem Mitteleinsatz verfolgte Industriepolitik zu sprechen. Das ändert allerdings nichts an der Strategie, durch gezielte staatliche Förderung Innovation und Hightech-Entwicklung heimischer Firmen voranzutreiben. Von einer Gleichbehandlung ausländischer Unternehmen in China kann dabei keine Rede sein. Es fehlt weiterhin an Rechtssicherheit für Investitionen, auch die deutsch-chinesischen Gespräche über den Schutz von sensiblen Unternehmensdaten kommen nur langsam voran.
Die Realität ist eine andere, und selbst in China sind intensive Debatten im Gange, ob die eigene Stärke nicht deutlich überschätzt, wurde. Intern befindet sich das Land de facto im Krisenmodus wegen akuter Risiken, die durch den Handelsstreit mit den USA verschärft werden, und grundsätzlicher Zielkonflikte in der Wirtschaftspolitik. Es wird der Führung nur zu einem sehr hohen Preis gelingen, ihre ehrgeizigen Wachstumsziele zu erreichen, gleichzeitig den Anstieg der Verschuldung zu verlangsamen und Risiken im Finanzsystem einzudämmen. Der Druck auf die chinesische Währung, das derzeitige Abrutschen der Kapitalmärkte und erneut drohende Kapitalflucht setzen Beijing unter Zugzwang, die Wirtschaft mit Krediten und geldpolitische Maßnahmen anzukurbeln. Dringend nötige Reformen werden wieder einmal auf die lange Bank geschoben.
Auch international läuft mitnichten alles rund: Die viel gepriesene Seidenstraßen-Initiative stößt international auf Widerstände; die Ausrichtung der Initiative und Wirtschaftlichkeit vieler Projekte werden gerade auch in China auf höchster Ebene hinterfragt. Der Fall des chinesischen Telekommunikationsunternehmens ZTE hat gezeigt, wie abhängig Chinas Firmen immer noch von ausländischer Technologie sind. Die Reaktion auf diese Einsicht wird allerdings eher eine Verstärkung der Bemühungen um „indigene Technologieentwicklung“ ohne ausländische Beteiligung sein.
China ist als Innovationstreiber sehr ernst zu nehmen, und es gibt besonders in der Digitalwirtschaft Bereiche, in denen eine Kooperation für beide Seiten sinnvoll sein kann: Dazu gehören der Gesundheitssektor, Finanztechnologien, Big-Data-Anwendungen, maschinelles Lernen, aber auch vernetzte Anwendungen im Bereich Mobilität. Blauäugig darf aber niemand in solche Kooperationen gehen. Mit Blick auf den Schutz privater Daten, die Überwachungspotenziale oder die zivil-militärische Anwendbarkeit neuer Technologien gibt es ganz grundsätzliche Fragen, bei denen weder bestehende europäische Regelwerke zur Exportkontrolle ausreichen noch abgestimmte politische Maßgaben vorhanden sind. Ein zentrales Spannungsfeld – durchaus auch mit gezielt zu bearbeitenden Chancen für Kooperation – tritt bereits heute bei der Standardsetzung für neue Technologien zutage.
Die innenpolitische Entwicklung Chinas gibt Anlass zur Sorge. Angesichts erschreckender Berichte, die zu Repression und Zwangsmaßnahmen gegenüber Teilen der Bevölkerung in der Region Xinjiang zuletzt bekannt wurden, muss auch die Bundesregierung auf Aufklärung und Veränderungen drängen.
Die Verschärfung der Kontrolle im Inneren wendet sich zunehmend nach außen. Es muss beispielsweise sehr kritisch beobachtet werden, auf welche Weise neue Steuerungs- und Kontrollinstrumente wie das Social Credit System auch negative Auswirkungen auf Akteure außerhalb Chinas haben werden. Dass auch deutsche Stiftungen nach Einführung des Gesetzes zur Regulierung von Nichtregierungsorganisationen zurzeit in China nicht wirklich handlungsfähig sind, stellt weiterhin eine Belastung für die beiderseitigen Beziehungen dar. Problematisch ist auch, dass die KPC systematisch Marktmacht als Druckmittel gegen ausländische Unternehmen nutzt und diese dann zu Lobbyisten in eigener Sache macht.
(Quelle: Mercator Institute for China Studies; Berlin)