Düsseldorf, 05.05.2011 15:22 Uhr (Finanzredaktion)
Beabsichtigt oder unbeabsichtigt: Investoren und Analysten erhalten in persönlichen Gesprächen regelmäßig vertrauliche Informationen von Unternehmensmanagern.
Dies ist das Ergebnis einer kürzlich veröffentlichten Studie der Rotterdam School of Management, Erasmus University (RSM), innerhalb derer 400 Investoren und Analysten aus der ganzen Welt befragt wurden. Fast die Hälfte der Befragten (47%) gibt an, in Vier-Augen-Gesprächen kursrelevante Informationen zu erhalten. „Dies führt zu Ungleichheit unter den Investoren und kann den Markt verzerren“, erklärt der Forschungsleiter Dr. Erik Roelofsen, Forscher an der RSM und darüber hinaus Direktor von PwC in den Niederlanden. Roelofsen und sein Kollege Prof. Gerard Mertens setzen sich deshalb für eine größere Transparenz auf Unternehmensseite ein, d.h. „Unternehmen sollten offen legen, mit wem sie Gespräche führen und wann“, so Roelofsen.
Ca. 48% der Investoren und Berater wünschen sich, dass Unternehmen offener mit „One-on-one Meetings“ umgehen.
Führungskräfte treffen sich regelmäßig zu persönlichen Gesprächen mit Analysten und institutionellen Großinvestoren, um sich über allgemeine Themen auszutauschen. Mit einigen Ausnahmen ist es Unternehmen allerdings verboten, bei diesen Treffen preissensitive Informationen weiterzugeben. Beweise zu erhalten, dass dies trotzdem geschieht, gestaltet sich schwierig, da oft nicht nachzuvollziehen ist, wer zu welchem Zeitpunkt mit wem gesprochen hat. Darüber hinaus sind die Grenzen zwischen vertraulichen und öffentlichen Informationen in der Praxis oft fließend. Mit dem Ziel, faire Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer zu schaffen, sollte hinsichtlich dieser Gespräche auf Unternehmerseite größere Transparenz herrschen.
Fakt: Die Direktoren mittlerer und großer Unternehmen führen jedes Jahr 100 bis 150 persönliche Gespräche mit institutionellen Investoren. Ein Teil dieser Treffen wird von Brokern organisiert, die dafür ein Honorar beziehen. Die Themen, die behandelt werden, variieren, schließen allerdings oft die strategische Führung und Finanzierung des Unternehmens mit ein.“
Institutionelle Investoren stufen diese Gespräche als sehr nützlich ein, da sie die Möglichkeit schaffen, dem Unternehmensmanagement direkt gegenüberzusitzen und auch nonverbale Zeichen wahrnehmen zu können. „Direktoren sind sich dessen nicht immer bewusst, aber ihr Verhalten in diesen Gesprächen wird genauestens beobachtet“, erklärt Roelofsen. „Einige Investoren und Analysten lassen sich sogar schulen, um diese Zeichen besser erkennen und deuten zu können, z.B. ob ein Manager lügt oder sich unsicher fühlt.“ Tatsächlich investiert eine steigende Anzahl von Investoren ungern in Unternehmen, die nicht bereit sind, Gespräche unter vier Augen mit ihnen zu führen.
Welche Informationen sind kursrelevant?
In einer Marktanalyse kann eine Unternehmensführung klare Andeutungen einer baldigen, noch nicht publik gemachten Umstrukturierung innerhalb des Unternehmens machen, ohne dass der Bericht selbst kursrelevant wäre. Investoren/Analysten können hieraus jedoch preissensitive Informationen gestalten. Dies ist natürlich erlaubt. Sollte das Unternehmen jedoch auch nur im Geringsten versuchen, diese externe Analyse zu beeinflussen, wird eine Grauzone betreten. Die befragten Investoren und Analysten geben nicht nur zu, dass vertrauliche Informationen oftmals herausgegeben werden, sondern deuten auch an, dass die Broker, die die Treffen organisieren, regelmäßig aus dem Raum geschickt werden, sobald das Gespräch mit den Investoren beginnt.
Hintergrund zur Studie
Die RSM Global Analyst and Investor Survey ist eine vierteljährlich durchgeführte, weltweite Umfrage unter Vermögensberatern und Analysten auf Käufer- sowie auf Verkäuferseite. Die Studie von RSM und PwC trägt Meinungen und Erwartungen bezüglich der globalen wirtschaftlichen Entwicklung zusammen. Hauptverantwortlich für die Forschung sind Dr. Erik Roelofsen (Forscher an der RSM und Direktor bei PwC) und Professor Gerard Mertens (Professor für Finanzanalyse an der RSM). In der aktuellen Umfrage wurden vom 28.März bis zum 04.April 2011 insgesamt 400 Investoren und Berater befragt.
(Quelle: Rotterdam School of Management, Erasmus Universität)
(Foto: Kirchhoff;PIXELIO)