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Bundestagswahl: Wie die Sonntagsfrage auf Journalisten und Wähler wirkt

Dokument: Düsseldorf, 21.09.2017 09:59 Uhr (Gastautor)

Während Journalisten Wahlumfragen nutzen um ihre Berichterstattung mit Analysen zu untermauern lassen sich Wähler kaum von den Balken beeinflussen. Taktische Wähler hingegen nutzen Wahlumfragen und dies ist vor allem für die FDP und die Grünen wichtig.

Im September 2017 befragten Prof. Dr. Frank Brettschneider, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Hohenheim, und sein Team die 862 Mitglieder der Bundespressekonferenz nach ihren Einstellungen zu Wahlumfragen (25 Prozent haben sich an der Umfrage beteiligt). Außerdem wurde für die Bundestagswahlen 1980 bis 2013 die Medienberichterstattung in den jeweils drei Monaten vor der Bundestagswahl inhaltsanalytisch untersucht (insgesamt 2.550 Artikel in vier überregionalen Tageszeitungen). Und für die Bundestagswahlen 1980 bis 2002 wurde anhand repräsentativer Wahlumfragen die Wirkung veröffentlichter Umfrageergebnisse auf die Wählerinnen und Wähler analysiert.

Im Mittelpunkt stehen drei Fragen:

1. Was denken Journalisten über Wahlumfragen?
2. Wie wird über Wahlumfragen berichtet?
3. Wie wirken sich Berichte über Wahlumfragen auf das Wählerverhalten aus?

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Prof. Dr. Brettschneider: „Journalisten arbeiten mit Umfragen, sehen aber negative Konsequenzen für das Wählerverhalten. 30 Prozent der Bundespressekonferenzmitglieder verwenden Umfragen „häufig“ als Zusatzinformation in der politischen Berichterstattung, 48 Prozent greifen „manchmal“ auf Umfragen zurück, 22 Prozent arbeiten „selten“ oder „nie“ mit Umfragen. 46 Prozent der Bundespressekonferenzmitglieder glauben, dass ihre Kollegen der Verwendung von Umfrageergebnissen in der Berichterstattung positiv gegenüber stehen. 55 Prozent bezeichnen Umfragen für die Arbeit der Journalisten als „eher hilfreich“. 63 Prozent sind überzeugt davon, dass man mit Hilfe von Umfragen die Einstellungen der Bevölkerung zu politischen Themen, zu Parteien und zu Politikern messen kann.“

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Nehmen die Wähler die Wahlumfragen überhaupt wahr?

Prof. Dr. Brettschneider: „Wahlumfragen werden fast von allen Wählern wahrgenommen. Sie stoßen aber vor allem bei politisch interessierten Menschen auf Interesse. Mit der zunehmenden Berichterstattung über Wahlumfragen wächst auch der Anteil der Bevölkerung, der Umfrageergebnisse vor Wahlen wahrnimmt. Zwischen 1957 und 2002 hat sich dieser Anteil von 17 auf 75 Prozent vervielfacht.“

"Auf starkes Interesse stoßen Umfragen vor allem bei den „Campaign-Junkies“. Diese nehmen alle Informationen über den Wahlkampf auf, die ihnen zur Verfügung stehen." Sie sind politisch sehr interessiert und gehören zu den formal besser Gebildeten. Vor allem aber handelt es sich bei ihnen um Personen mit überdurchschnittlich ausgeprägter Parteiidentifikation mithin um Menschen, die aufgrund ihrer verhältnismäßig festen Bindung an eine Partei kaum für Manipulationen durch Umfragen anfällig sind.

Beeinflussen Wahlumfragen die Wahlbeteiligung?

Prof. Dr. Brettschneider: „Die von Politikern, Journalisten und auch Wissenschaftlern geäußerten Wirkungsvermutungen lassen sich in zwei große Gruppen unterteilen: vermutete Umfrageeffekte auf die Wahlbeteiligung und vermutete Umfrageeffekte auf die Stimmabgabe für eine bestimmte Partei. Folgende Auswirkungen veröffentlichter Umfrageergebnisse auf die Wahlbeteiligung werden vermutet:

Die drei zuletzt genannten Auswirkungen auf die Wahlbeteiligung wurden bislang weder in Deutschland noch in den USA - wo sie aufgrund des „Western Voting“ umfangreicher und besser untersucht wurden - nachgewiesen.

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Beeinflussen Wahlumfragen die Stimmabgabe der Wählerinnen und Wähler?

Zu den Auswirkungen auf die Stimmabgabe werden zwei Vermutungen angestellt:

Auch diese Effekte lassen sich weder in Deutschland noch in den USA nachweisen.

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Aber Umfragen sind für taktische Wähler wichtig. Das betrifft vor allem Wählerinnen und Wähler der FDP und der Grünen.


 

Nach den Bundestagswahlen 1983, 1987 und 1994 gaben ein Viertel bis ein Drittel derjenigen Wähler, die Wahlumfragen wahrgenommen hatten, an, diese hätten für ihre Stimmabgabe eine Rolle gespielt. Und nach der Bundestagswahl 1990 sagten 14 Prozent der Wähler, die Umfrageergebnisse wahrgenommen hatten, sie seien durch diese beeinflusst worden. Nach der Bundestagswahl 2002 gaben dies acht Prozent an. Die Wirkungen ergeben sich aus dem Verhältniswahlrecht und der Fünf-Prozent-Klausel. Sie betreffen eher die Wähler der kleinen Parteien sowie einige Wähler ihrer potentiellen Koalitionspartner.

(Quelle: Prof. Dr. Frank Brettschneider, Universität Hohenheim, Fachgebiet Kommunikationswissenschaft insb. Kommunikationstheorie. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Kommunikation bei Bau- und Infrastrukturprojekte, die Verständlichkeitsforschung, die Politische Kommunikation (insbesondere Wahlforschung) und das Kommunikationsmanagement. Besonderen Wert legt er auf die Verbindung von Theorie und Praxis.)

 
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