Stabilitätsmechanismen: Was ist eigentlich ESM und Fiskalpakt?
Düsseldorf, 05.07.2012 20:07 Uhr (FS)
Die EU-Staaten und die Bundesregierung müssen geeignete Stabilitäts-und Wachstumsmechanismen entwickeln, um der "gemeinschaftlichen" Verschuldung Herr zu werden. Aber was verbirgt sich hinter den Begriffen ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) und Fiskalpakt?
Als Hilfe für in Zahlungsschwierigkeiten geratene Mitgliedstaaten spannte die EU ab Mai 2010 den Euro-Schutzschirm auf. Er setzt sich zusammen aus dem Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) und der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF).
Mit dem Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM) richten die Eurostaaten ab Juli 2012 einen dauerhaften institutionellen Schutz- und Nothilfemechanismus ein. Der ESM sichert langfristig und nachhaltig Vertrauen in die Stabilität der Eurozone. Sein Stammkapital beträgt 700 Milliarden Euro. Diese Summe teilt sich auf in 80 Milliarden einzuzahlendes Kapital und weiteren 620 Milliarden Euro an Garantien.
Der unbefristete Rettungsschirm ESM soll im Juli 2012 starten und Mitte 2013 den EFSF vollständig ablösen. Der ESM ist ein wichtiger Bestandteil des Gesamtpakets zur dauerhaften Stärkung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion.
Details:
- Der ESM wird auf der Grundlage eines völkerrechtlichen Vertrages zwischen den Euroländern gegründet. Er kann maximal 500 Milliarden Euro an Darlehen vergeben.
- Das Stammkapital beträgt 700 Milliarden Euro. Dies ist Grundlage für die höchste Bonität (AAA-Rating) und damit für niedrige Zinsen.
- Die Vertragsländer zahlen in 5 Raten 80 Milliarden Euro in den ESM ein. Der deutsche Anteil hierfür beträgt 21,7 Milliarden Euro. Die ersten beiden Raten (8,7 Milliarden Euro) zahlt Deutschland bereits in diesem Jahr ein.
- Außer dem eingezahlten Kapital ist der ESM mit weiteren 620 Milliarden Euro Gewährleistungen ausgestattet. Der deutsche Anteil hierfür beträgt 168,3 Milliarden Euro.
- Eng verknüpft mit dem ESM ist der neue Fiskalvertrag der EU: Hilfen aus dem ESM können nur diejenigen Ländern erhalten, die den Fiskalvertrag ratifiziert und nationale Schuldenbremsen eingeführt haben.
Mit der Unterzeichnung des „Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion “ (dem sogenannten „Fiskalvertrag“) verpflichten sich 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union, einheitliche und dauerhaft verbindliche Haushaltsregeln in ihre nationalen Rechtsordnungen aufzunehmen.
In welchem Verhältnis stehen der Fiskalvertrag und der ESM zueinander?
Die Gewährung von Finanzhilfen durch den ESM ist eng mit dem Fiskalvertrag verknüpft worden. Wer künftig Hilfen aus dem ESM in Anspruch nehmen will, muss den Fiskalvertrag bis zum 1. März 2013 ratifiziert und – sobald die im Vertrag geregelte Umsetzungsfrist für die Implementierung der Schuldenregel in nationales Recht abgelaufen ist – eine nationale Schuldenbremse eingeführt haben.
Welche wesentlichen Neuerungen werden durch den Fiskalvertrag eingeführt?
- Der Vertrag sieht ehrgeizige Vorgaben für nationale Schuldenbremsen vor. Das gesamtstaatliche strukturelle Defizit darf die Obergrenze von 0,5 % des nominalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht übersteigen, solange die Schuldenquote nicht deutlich unter 60 % liegt.
- Die Umsetzung in nationales Recht muss mit starker und permanenter Bindungswirkung, vorzugsweise auf Verfassungsebene, erfolgen, d.h. die Einhaltung und Befolgung der nationalen Schuldenregeln muss im gesamten Haushaltsverfahren gewährleistet sein.
- Die Umsetzung von Schuldenbremsen in nationales Recht kann durch eine Klage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) durchgesetzt werden. Für den Fall der Nichtbefolgung von EuGH-Urteilen sind Strafzahlungen an den ESM vorgesehen.
- Mitgliedstaaten, die sich in einem Defizitverfahren befinden, müssen ein Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramm auflegen, das vom Rat der EU und der Europäischen Kommission genehmigt und überwacht wird.
- Die Eröffnung und alle weiteren Beschlüsse im Rahmen eines Defizitverfahrens werden hinsichtlich der Nichteinhaltung des Defizitkriteriums zukünftig quasi-automatisch erfolgen (umgekehrte qualifizierte Mehrheitsentscheidung).
- Die Vertragsparteien verpflichten sich zu einer verstärkten wirtschaftspolitischen Koordinierung.
- Der Vertrag regelt ein Verfahren zu einer besseren politischen Steuerung des Euro-Währungsgebiets in Gestalt von regelmäßigen, mindestens zwei Mal im Jahr stattfindenden Tagungen des Euro-Gipfels.
- Es wird die Möglichkeit einer Konferenz von Vertretern des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente zu Fragen der Haushaltspolitik und anderer von diesem Vertrag erfasster Angelegenheiten vorgesehen.
Die Umsetzung einer Schuldenbremse in nationales Recht innerhalb von einem Jahr nach Inkrafttreten des Fiskalvertrags wird durch die Europäische Kommission überwacht. Für den Fall der Nichtumsetzung wird der Europäische Gerichtshof durch die EU-Mitgliedstaaten, die die „Dreier-Präsidentschaft“ innehaben, angerufen. Bei Nichtbefolgung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs über die Nichtumsetzung einer nationalen Schuldenregel sieht der Fiskalvertrag Strafzahlungen in Höhe von bis zu 0,1 % des BIP vor.
(Quelle: FMM/Bundesregierung/Bundesministerium der Finanzen)
(Foto: geralt;pixelio.de)
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