Die Bedeutung des Liegenschaftszinssatzes bei der Immobilienbewertung
Düsseldorf, 26.11.2020 12:09 Uhr (Gastautor)
Bei der Bewertung von Immobilien mit dem Ertragswertverfahren spielt der Liegenschaftszinssatz eine wichtige Rolle. In diesem Artikel werden verschiedene Punkte rund um das Thema Liegenschaftszinssatz dargestellt.
Ein Gastartikel von Marvin Reichert, Geschäftsführer der BlueHill Estate Group.
Grundlegende Informationen zum Ertragswertverfahren
Um die Funktionsweise des Liegenschaftszinssatzes zu verstehen, sollte man zunächst die Grundzüge des Ertragswertverfahrens erläutern.
Im Rahmen der Verkehrswertermittlung findet das Ertragswertverfahren in der Regel dann Anwendung, wenn im gewöhnlichen Geschäftsverkehr die Generierung von Erträgen für die Preisbildung des zu bewertenden Objektes entscheidend ist. Dies ist üblicherweise bei Mietwohngrundstücken und Gewerbeobjekten der Fall.
Der Jahresrohertrag bildet regelmäßig die Ausgangsbasis des allgemeinen Ertragswertverfahrens. Von diesem werden alle nicht umlagefähigen Bewirtschaftungskosten (Verwaltungskosten, Instandhaltungskosten, Mietausfallwagnis und Betriebskosten) abgezogen, um zum Jahresreinertrag zu gelangen. Im Anschluss wird – auf Basis des Liegenschaftszinssatzes – die entsprechende Bodenwertverzinsung berechnet und vom Jahresreinertrag abgezogen.
Es ergibt sich der Reinertragsanteil der baulichen Anlagen. Dieser Reinertragsanteil wird unter Berücksichtigung des Liegenschaftszinssatzes und der Restnutzungsdauer kapitalisiert. Um den vorläufigen Ertragswert zu berechnen, wird der Bodenwert im Anschluss hinzugerechnet. Der vorläufige Ertragswert bedarf ggf. einer zusätzlichen Anpassung an den Markt oder der Berücksichtigung von besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmalen.
Bedeutung des Liegenschaftszinssatzes
Liegenschaftszinssätze erfassen die Erwartungen der unterschiedlichen Marktteilnehmer in Bezug auf die Entwicklung der allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt (§ 14 (1) ImmoWertV). Dabei stellt der Liegenschaftszinssatz die marktübliche durchschnittliche Verzinsung des Verkehrswertes eines Grundstücks – in Abhängigkeit der Nutzungsart – dar.
Ableitung der Liegenschaftszinssätze
Für die Ableitung der Liegenschaftszinssätze werden geeignete Kaufpreise von für die jeweilige Nutzungsart typischen und vergleichbaren Grundstücken benötigt. Unter Würdigung der entsprechenden Kaufpreise, den zugehörigen Reinerträgen sowie der jeweiligen Restnutzungsdauer können dann die entsprechenden Liegenschaftszinssätze abgeleitet werden. Wichtig ist dabei, dass die Kaufpreise um die Werteinflüsse besonderer objektspezifischer Grundstücksmerkmale angepasst werden sollten.
Verwendungsgrundsätze
Wie bereits dargestellt, ist der Liegenschaftszinssatz integraler Bestandteil der Ertragswertermittlung. Im Zuge dessen ist auf die Anwendung eines angemessenen und nutzungsspezifischen Zinssatzes zu achten. Primär sollten die vom zuständigen Gutachterausschuss ermittelten und publizierten Liegenschaftszinssätze herangezogen werden. Sofern keine Daten vom zuständigen Ausschuss erfasst werden, ist es grundsätzlich auch möglich, die Liegenschaftszinssätze aus vergleichbaren Gebieten heranzuziehen, unter Beachtung von regionalen und allgemeinen Abweichungen der Marktbedingungen. Sollte dies ebenfalls nicht umsetzbar sein, können die Zinssätze unter Würdigung der jeweilig relevanten Marktverhältnisse sachverständig geschätzt werden.
Fazit
Der Liegenschaftszinssatz ist wichtiger Bestandteil des Ertragswertverfahrens. Dieses ist eines der meistverwendeten Verfahren zur Wertermittlung. Der Ertragswertermittlung liegt die Theorie zugrunde, dass der Wert eines Grundstücks in einem direkten Zusammenhang mit seinen möglichen Erträgen steht. Dieser Zusammenhang wird aus einem Kapitalisierungsfaktor hergestellt, mit dem der heutige Wert der zukünftigen regelmäßigen Erträge ermittelt werden kann. Der Liegenschaftszinssatz hat dabei direkten Einfluss auf den entsprechenden Faktor. Da sich die Ertragswertermittlung in der Praxis häufig als komplex darstellt, kann die Unterstützung durch einen qualifizierten und weisungsfreien Sachverständigen hilfreich sein.
(Artikelbild: Postbank AG)
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