Investment Themen | Perspektiven für Börsen und Aktien in 2022
FrankfurtMain/München, 15.11.2021 16:23 Uhr (Robert Halver)
Liebe AnlegerInnen schauen Sie auf die Fundamentaldaten. Der Kapitalmarktexperte Robert Halver über Inflationsentwicklung, Jahresendrallye und Perspektiven für Aktien im Jahr 2022.
Robert Halver ist Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. Bereits seit 2012 berichtet er auf FMM-Magazin.de über die Geschehnisse an den Börsen. Baader betreut an den Börsenplätzen Frankfurt, München, Stuttgart, Düsseldorf und Berlin u.a. den Handel mit Aktien, Anleihen, Derivaten und Fonds.
Mit zuletzt 6,2 Prozent in den USA und 4,5 in Deutschland ist der Preisdruck geradezu dramatisch. Laut Umfrage der US-Notenbank sind Inflationssorgen mittlerweile zum größten Sorgenkind an der Wall Street geworden. Während Anleger auf der einen Seite schlimmste Befürchtungen hegen, erwartet die andere Seite den baldigen Anfang vom Ende des Preisdrucks. Würden die Notenbanken deutlich restriktiver, wäre die Liquiditätshausse als Megathema an der Börse gefährdet.
Inflation – Spielverderber für Anleger?
Nicht zuletzt mildert der Zeitablauf den Preisdruck. Denn Inflation ist immer eine relative Betrachtung. Man vergleicht das aktuelle Preisniveau mit dem vor 12 Monaten. Selbst wenn Rohstoffpreise und Frachtraten auf ihren derzeit hohen Niveaus verharrten, würden die Preisspitzen ab Frühjahr 2022 nachgeben. Es ist sogar ein Rückgang zu erwarten: Je höher die Preissteigerungen in diesem nach-coronalen „Lagerwiederauffüllungsjahr“ ausfallen, desto stärker fallen die Minderungen 2022 bei Sättigung aus.
Auch die EU geht davon aus, dass 2023 die Inflation wieder unter dem Zielwert von zwei Prozent liegen wird. So schwächt sich der restriktive Handlungsdruck für die EZB ab. Tatsächlich zerstreut sie bereits die Risiken von Liquiditätsverknappungen und Zinserhöhungen. EZB-Chefvolkswirt Lane spricht sogar von der „strategischen Notwendigkeit“ einer lockeren Geldpolitik. Auch die Bank of England stellte zuletzt eine von den Märkten fest erwartete Zinserhöhung zurück.
Und die Fed…?
Übt sich trotz Tapering in Zins-Zurückhaltung: Auf das Ende des Anleihekaufprogramms sollen nicht zwangsläufig Zinserhöhungen folgen. Ändert sich an diesem freizügigen Szenario etwas, wenn die Amtszeit Jerome Powells als US-Notenbankchef trotz eines exzellenten Jobs in der Corona-Krise nicht verlängert werden sollte? Im Gegenteil, die Politisierung der Fed würde noch verstärkt. Über Lael Brainard als potenzielle Nachfolgerin wird schon spekuliert. Als einzige Angehörige der Demokraten im Direktorium der Federal Reserve gilt sie als „Taube“, als starke Befürworterin einer lockeren Geldpolitik, die ähnlich wie die EZB die geldpolitische Finanzierung des Klimawandels begrüßt.
Die Staatsanleiherenditen zeigen sich nach den Inflationszahlen zuletzt zwar nervös. Doch ist von den noch zu Jahresbeginn befürchteten Zinsanstiegen nichts zu sehen.
Auch wenn zukünftig mit weniger negativen Realrenditen zu rechnen ist, werden sich die Anleiherenditen weiter deutlich unterhalb der Inflation bewegen. Den Aktienmärkten droht auch zukünftig kein Störfeuer. Der zinsseitige Anlagenotstand bleibt ein Megathema.
Perspektiven für Aktien in 2022
An den an den Aktienbörsen zeigt sich wieder mehr fundamentaler Optimismus. Zwar werden die Konjunkturprognosen für 2021 wegen akuter Rohstoffmängel und Lieferengpässen gestutzt. Doch stabilisieren sich die Konjunkturerwartungen - laut der Investment-Beratungsfirma Sentix - für die nächsten sechs Monate über alle Weltregionen. Den Schwellenländern Asiens mit Schwerpunkt China und dem konjunkturzyklischen und exportorientierten Deutschland werden dabei die besten Perspektiven bescheinigt. Chinas überraschend robuste Exportzahlen deuten in der Tat auf eine weltweit wieder wachsende Nachfrage hin. Und die Konjunktureinschätzung der Wirtschaftsweisen im Jahresgutachten - weniger Wachstum in diesem Jahr (2,7 statt 3,1), dafür mehr im nächsten (4,6 statt 4,0 Prozent) - zeigt, dass sich die deutsche Wirtschaft „nur“ in einer technisch erzwungenen Delle befindet.
Stimmungsaufhellend wirkt auch, dass die US-Regierung ihr lange erwartetes Infrastrukturpaket endlich verabschiedet hat. Über einen Zeitraum von 10 Jahren sollen insgesamt 1,2 Bio. US-Dollar u. a. in die Erneuerung von Straßen, Brücken und des Eisenbahnnetzes sowie den digitalen Netzausbau fließen. Damit ist die Basis für private Anschlussinvestitionen gelegt.
Insgesamt trägt die sich wieder verbessernde Stimmung der Weltkonjunktur zu einer stabilen Entwicklung der globalen Aktienmärkte bei.
Auch die Berichtsaison u. a. in Deutschland als weltkonjunkturellem Frontstaat spricht für eine sich bessernde Fundamentallage.
Dieses Zutrauen zeigt sich in der zweiten und dritten Börsenreihe, die besonders zyklisch dominiert ist. MDAX, SDAX und TecDAX können sich gegenüber ihrem großen Aktienbruder DAX gut behaupten. Von besonderem Interesse sind dabei ebenso Titel, die sich dem neuen Megathema Klimaschutz widmen. Deutschland kann Klimaschutz. Möge die neue Ampelregierung diese Talente konsequent fördern.
Charttechnik DAX
Nach der 1.200-Punkte-Rally im DAX und der Rekordjagd an den US-Börsen scheint die Luft für weitere Kursgewinne dünner zu werden. Dass sich der Fear & Greed Index von CNN Money im Bereich der extremen Gier bewegt, deutet als Kontraindikator tatsächlich auf zwischenzeitliche Kursrücksetzer und mehr Schwankungsanfälligkeit hin. Ein Rücksetzer wäre nach den jüngsten Rekordhochs aber nicht ungewöhnlich.
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